11 Tage in Palästina

Palästina-Reisebericht September 2019 –

Im September 2019 nahm ich an einer organisierten Reise nach Palästina teil. Es war keine biblische Reise, bei der man kurz die Sehenswürdigkeiten besichtigt und dann wieder mit dem Reisebus nach Israel zurückfährt. Es war eine Reise, bei der wir neben den religiösen Stätten, die es im Gelobten Land (dem Land der Kinder Abrahams) auch die geschichtlich und politisch wichtigen Gegenden besuchten, um – ganz nach Servas-Art – Palästinensern zu begegnen .

Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele christliche Palästinenser in einem „arabischen“ Land gibt. Und alle bezeichnen sich als Palästinenser.

Juden trafen wir natürlich auch – eher unfreiwillig trafen wir aggressive Siedler und freiwillig trafen wir Juden, die gegen die Besiedlung der palästinensischen Gebiete eintreten. Und die gibt es nicht zu knapp – leider glauben dies viele Palästinenser nicht, denn wegen derMauern und Zäune zwischen den beiden Ländern finden kaum noch Begegnungen statt.

Und der arabische Frühling hat leider auch in Palästina zu einer gewissen Vorsicht gegenüber Islam-Missbrauchern geführt. Der IS konnte sich überall verbreiten, nachdem der arabische Frühling in den meisten Ländern gescheitert war.

Trotz alledem muss ich sagen, dass ich mich selten so sicher in einem Land gefühlt habe, wie in Palästina. Nun muss ich dazu sagen, dass ich genug Arabisch spreche, um eine kurze Konversation zu führen, nach dem Weg oder Befinden zu fragen und ein paar Dinge mehr.

Mein Reiseleiter ließ mich zuweilen alleine losmarschieren, so dass ich mit den Menschen in Kontakt treten konnte und vielleicht etwas mehr erfuhr als andere. Ich hielt mich allerdings auch an die Regel, Menschenmassen zu meiden. Touristen sind in Palästina sehr gern gesehen. Haben Palästinenser doch oft das Gefühl, vergessen zu werden, bei all den Konflikten auf der Welt. Und ihr Problem gibt es schon so lange. Ich will trotzdem nicht müde werden, immer wieder auf die Problematik von Palästinensern hinzuweisen, denn dieses Volk ist dermaßen verraten worden, vom Westen, wie von den arabischen Ländern, deren Staatsangehörigkeit sie als Flüchtlinge niemals erhalten werden, weil diese Länder Israel nicht anerkennen wollen. Sie sind zum Spielball der Politik geworden.

Doch ich schweife ab.

Wir besuchten soziale Organisationen, von Frauenkooperativen angefangen, über Friedensaktivisten, Angebote zur Traumabewältigung, Wissenschaftler zur Erforschung der ökologischen Katastrophe durch die Besiedlung und Teilung des Landes, Kirchenvertreter, Olivenölkampagnen, Fair-Trade-Organisationen und viele mehr.

Bevor ich die einzelnen Reiseregionen anspreche hier ein kleiner Überblick und nachher die wichtigsten Dinge, die man wissen will, wenn man nach Palästina reisen möchte:

Es gibt die Unterteilung des Westjordanlandes in A-, B- und C-Regionen. Das muss man wissen, wenn man nach Palästina reist! Für alle Reiseplanungen in der Zukunft. Nach dem Osloer Abkommen sieht es folgendermaßen aus: Die A-Zone (heute ca. 18 % des Gesamtgebiets, ca. 50 % der Gesamtbevölkerung) steht unter palästinensischer Zivil- und Sicherheitsverwaltung und umfasst die großen Städte mit Ausnahme Hebrons. Die B-Zone (heute ca. 18 % des Gebietes, ca. 40 % der Bevölkerung) untersteht palästinensischer Zivilverwaltung und gemeinsamer israelisch-palästinensischer Sicherheitsverwaltung und setzt sich vor allem aus ländlichen Gemeinden und Dörfern zusammen. Die C-Zone (heute ca. 60 % des Gebiets, ca. 6 % der Bevölkerung), die einzige zusammenhängende Landmasse, steht sowohl zivilrechtlich als auch in Sicherheitsbelangen unter israelischer Kontrolle. Sie besteht vor allem aus dünn besiedelten Landstrichen, palästinensischen Dörfern und israelischen Siedlungen. Ursprünglich war das Oslo-II-Abkommen für eine Übergangsperiode von fünf Jahren gedacht. An seinem Ende sollte ein souveräner palästinensischer Staat stehen. C-Gebiete sollten schrittweise in A- und B-Gebiete umgewandelt werden. Dieser Schritt ist bis heute nicht erfolgt. Und somit wurde ein Friedensplan zu einem Besatzungsplan mit der Folge einer Entfremdung der Menschen und einer fragwürdigen Entscheidung über Besitzverhältnisse am Wasser und den Wasser- und Landrechten.

Merkwürdig ist ebenfalls der Militäreinsatz von Israel in Palästina, der alle Vereinbarungen aushebelt, zumindest in der Nacht.

Wir starteten in Tel Aviv, übernachteten bei Gastfamilien in Betlehem (A-Region) und besuchten die Geburtskirche Jesu, die mächtig von Touristen überlaufen ist (dennoch wunderschön), waren natürlich auch an der 5,50 m hohen und ca. 50 km langen Trennmauer (wer die Mauer in Berlin noch kennt, kann sich vorstellen, wie beklemmend das ist) und erhielten den ersten Vortrag, was diese Trennung für Tiere und Pflanzen und Menschen bedeutet. Tiere kennen keine Mauern und sterben, verirren sich, verlieren sich. So geschehen mit den Gazellen in Palästina. Die Wasserversorgung ist teuer und wenn jemand Israel in der Wassergewinnung schlagen kann, sind es die Palästinenser. Gebäude, die so gebaut sind, dass durch Fliesenritzen Wasser läuft und so aufgefangen wird, um weiterverwendet zu werden.

Es wird versucht, wieder heimische Pflanzen anzubauen, da die importierten Pflanzen (der Besatzungsmächte, derer es in den letzten Jahrhunderten viele gab) zu viel Wasser benötigen und dem Boden die Nährstoffe entziehen.

Gewöhnungsbedürftig, obwohl ich es aus anderen arabischen Ländern schon kenne, war für mich wie immer, dass das Toilettenpapier in den Eimer neben der Toilette geworfen werden muss, da sonst die Leitungen verstopfen. Das muss man unbedingt bedenken! Dafür gibt es an allen Kloschüsseln einen Bidetschlauch zur Intimhygiene, so dass die Araber zu Recht von uns Europäern behaupten, dass wir nicht sehr sauber seien. Wir haben zu Hause mittlerweile auch einen. Warum soll man sich gute Errungenschaften nicht einfach mal abschauen und selbst anschaffen?

Von Betlehem ging es nach Hebron zu Abrahams Grab, jedoch auch über den traurigen Markt, der ein Maschendraht als Dach hat, um die geworfenen Steine der illegalen und hochaggressiven Siedler abzuhalten. In Hebron gibt es das einzige Servas-Mitglied, das mir geantwortet hat. Ich hoffe, es lassen sich weitere finden und hoffe, dass einige, die diesen Bericht lesen, mir Kontakte vermitteln können zu Servas-Mitgliedern aus Jordanien, Palästina und auch Israel – solange diese, wie die meisten Israelis, an einem Frieden zwischen den Ländern interessiert sind.

Hebron war die einzige Stadt, die ich bedrückend fand, weil so viel Angst vorherrscht, da es immer wieder zu Konflikten zwischen Siedlern und Palästinensern kommt und die schon bemitleidenswerten Soldaten der israelischen Armee, die drei Monate ihres Wehrdienstes in Hebron absolvieren müssen, tagtäglich eingreifen und angreifen müssen. Aus diesen Wehrdienstsoldaten und Soldatinnen entstand glücklicherweise auch eine Friedensinitiative, die sich für Begegnungen und eine gewaltfreie Lösung einsetzt, weil sie selbst traumatisiert wurden durch ihren Einsatz und daran gesehen haben, dass Gewalt nicht mit Gewalt zu vergelten ist.

Doch gerade in Hebron gibt es so viele Menschen, die Hoffnung auf die Zukunft haben. Die Hoffnung lassen sie sich nicht nehmen. Das hat mich sehr beeindruckt. Egal ob Ein- oder Zweistaatenlösung und egal wann, der Glaube an eine friedliche Lösung, damit die Menschen in der Region friedlich miteinander oder nebeneinander leben können.

Weiter ging es in die schicke Hauptstadt Ramallah, der man so gar nicht ansieht, dass es viel Armut im Land gibt. Was hier nur stört sind die vielen Polizisten des Palästinenserpräsidenten Abbas, der leider nicht viel für seine Landsleute tut – zumindest überlegt er sich, Gesetze zu unterschreiben, wie das Gesetz zum Mindestlohn für Frauen, des Verbots von Ehrenmorden oder einer Frauenquote.

Wer jetzt erstaunt ist, kann es zu Recht sein. Palästina ist meiner Meinung nach demokratischer als die meisten anderen arabischen Länder (mit Ausnahme des Gaza-Streifens, der allerdings auch eher ein Freiluftgefängnis ist, das Israel und Palästina gleichermaßen schaden könnte und kann. Es ist aber auch kein Wunder. Die Menschen erhalten dort kein sauberes Wasser, die meisten Kinder leiden schon an einer Nierenkrankheit und wenn Radikalismus sich entwickeln kann, dann in einer abgeriegelten Zone. Auch die, die nichts mit dem terroristischen Zweig der Hamas oder IS-Gruppierung zu tun haben wollen, müssen gehörig aufpassen, nicht erpresst zu werden, Dinge zu tun, die sie nicht wollen, da sonst ihre Familien in Gefahr sind).

Nein, Palästina hat definitiv demokratische Züge und ist bildungspolitisch gesehen sehr fortschrittlich. Das liegt natürlich auch an den Fördermitteln, die jedoch leider durch den aktuellen amerikanischen Präsidenten sehr gekürzt wurden.

Nach Ramallah fuhren wir über Jericho (wo Zacharias, der Zöllner Jesus begegnete) und die Wüste nach Nablus – zu meiner Lieblingsstadt. Eine Stadt mit dem magischen Licht, dass es meiner Meinung nach nur in Jordanien und Palästina gibt, die Klein-Neapel genannt wurde (deshalb Nablus) und deren alter Markt an den von Damaskus erinnert.

Hier kann man leben und atmen und sehen, wie Seifen hergestellt werden und Olivenholz bearbeitet wird und Leckereien probieren und natürlich auch kaufen. Nicht zu vergessen die Läden (keine freien Stände) in denen Kräuter und Gewürze aufbewahrt und verkauft werden. Hier gibt es das beste Sa’ter (ein Thymiangewürz).

Die letzten Tage verbrachten wir in Jerusalem. Neben der Grabeskirche und der Al-Aqsa-Moschee und den Tempelberg, besuchten wir allerdings auch die Gegend, in der Ende August einige Häuser vom israelischen Militär aus „Sicherheitsgründen“ abgerissen worden waren. Mir erschloss sich der angegebene Grund nicht. Die nächsten Häuser von Israelis standen weit entfernt. Für mich sah es eher nach Landraub und einem Machtkampf aus.

Dazu muss man wissen, dass die Einwohner von Ost-Jerusalem einen bevorzugten Status haben. Sie können mit ihrem Autokennzeichen sowohl in Palästina ungezwungen fahren, wie auch in Israel. Daher sollte man bei einer Reise nach Palästina auch unbedingt darauf achten, einen Fahrer oder ein Auto aus Ost-Jerusalem zu bekommen. Sonst kann es zu großen Schwierigkeiten an den israelischen Checkpoints kommen.

Die Heimreise nach Deutschland war etwas zu spannend für mich, da die Sicherheitsbeamten am Flughafen zum Teil sehr streng sein können. Zumindest sollte man darauf gefasst sein, dass sie fragen, an welchen Orten man sich aufgehalten hat und zu welchem Zweck. Ich habe nachher im Wartesaal einen Österreicher kennengelernt (ein Student), der 1,5 Stunden lang befragt wurde und sich bis auf die Unterhose ausziehen musste. Und auch in meinem Koffer lag ein netter Gruß, dass mein Koffer aus Sicherheitsgründen geöffnet worden war.

Diese Reise war meine Herzensreise. Es war eine Reise, die mich nach wie vor sehr beschäftigt und ich vermisse das Licht und die magische Atmosphäre. Diese Reise war jedoch auch eine Reise, die an meine physischen, psychischen und emotionalen Grenzen kam. Das Fazit dieser Reise ist, dass es einen politischen Konflikt gibt und eine ökologische Katastrophe, ausgelöst durch den Konflikt. Ein weiteres Fazit ist, dass die Begegnungen, wie Servas sie propagiert, zwischen den Palästinensern und Israelis kaum stattfinden, das für mich fatale Folgen hat.

Und ich hoffe, dass es unter Servas Menschen gibt, die daran interessiert sind, auch in Palästina und Jordanien, das zu ca. 60 % aus Palästinensern besteht, Begegnungsreisen zu unternehmen und natürlich auch in Israel, um die Erfahrungen mit den Menschen vor Ort zu teilen und somit Palästina nicht alleine zu lassen.

Dagmar Lübbers, Hamburg

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